Schon lange ist es – auch in der Kirche – unpopulär, über Gericht, Fegefeuer und Hölle zu predigen oder überhaupt darüber zu sprechen. „Wenn es Gott und ein Weiterleben nach dem Tod überhaupt gibt, dann erwartet uns ja der allbarmherzige, uns bedingungslos liebende Gott. Die Hölle hat man höchstens auf Erden. Alles Reden von der biblischen Hölle und der ewigen Verdammnis ist eine Drohbotschaft. Ein Gott der Liebe kann nicht so grausam sein, dass er jemand für immer in die Hölle schickt.“ So könnte man die heutigen Einwände gegen die sogenannten „letzten Dinge“ kurz zusammenfassen. Dabei sind diese doch fester Bestandteil des christlichen Glaubensbekenntnisses – ob katholisch oder evangelisch.
Ich selbst stelle in Gesprächen manchmal die Frage: „Glauben Sie/glaubst Du, am Ende des irdischen Lebens Rechenschaft für das eigene Tun oder Nicht-Tun vor Gott Rechenschaft ablegen zu müssen? Das gibt oft Widerspruch! Von einem ‚Gericht‘ will man nichts wissen! Sogar manchen am Gespräch beteiligten Christen ist dies unangenehm und sie sagen nicht ja oder nein dazu. Sie sprechen von einem undefinierbaren „Mittelweg“ oder sagen: „Das muß jeder selbst wissen und entscheiden.“ – Dabei gibt es doch nur zwei Möglichkeiten: Entweder glaube ich an das Ewige Leben und Gottes Gerechtigkeit, oder nicht. Klar, entscheiden muss jeder selbst, aber die Rede darüber, die zu einer Entscheidung für oder gegen den Glauben führen kann, sollte doch erlaubt sein. Denn die frohe Botschaft weiterzugeben, ist ja in Wirklichkeit ein Akt der Nächstenliebe und Barmherzigkeit.
Aber warum sperren sich viele Zeitgenossen gegen die Botschaft vom ‚Gericht‘? Jeder kennt doch auch die irdische, staatliche Gerichtsbarkeit und hat dagegen nichts einzuwenden (es sei denn, er ist schuldig geworden und will nicht zur Schuld stehen und keine Reue zeigen). Schon die Strafen irdischer Gerichte – von der Todesstrafe abgesehen – sollen letztlich zur Besserung der Schuldigen dienen. Es gibt bei der irdischen Gerichtsbarkeit Fehlurteile, Justizirrtümer. Und bei Gott? Er ist der wahrhaft Gerechte, er ist frei von jedem Irrtum! Wovor sollte sich jemand mit reinem Gewissen dann fürchten?
Fürchten müssen sich nur diejenigen, die nicht zu Gottes Geboten umkehren wollen und in einer gewissen Selbstgerechtigkeit verharren (…ich habe doch noch keinen umgebracht!) und den notleidenden Christus im Armen, Hungernden, Gefangenen, Verfolgten nicht erkennen (siehe Kapitel 25 des Matthäus-Evangeliums, das vom Weltgericht handelt). Wer sieht sich autorisiert, dieses Kapitel außer Kraft setzen zu dürfen?
Zitat aus einem Leserbrief im Konradsblatt Nr. 44/2011: „In jeder Eucharistiefeier, der großen Danksagung, werden wir erinnert: „Wir heißen nicht nur Kinder Gottes, wir sind es!“ (1 Joh 3,1). Warum wird uns dies so selten überzeugend vor Augen gestellt? Wird ein liebender Vater sein Kind mit der Hölle als ewige Verdammnis bestrafen? Braucht Gott zur eigenen Genugtuung solche Strafe?“
Diese und ähnliche Fragestellungen beantworten sich aus dem bisher Gesagten. Der Leserbrief-Autor hatte zuvor die Predigt von Erzbischof Ludwick Schick anläßlich der Herbst-Vollversammlung der Deutschen Bischofskonferenz in Fulda am 7. Oktober 2011 kritisiert und sich „erschüttert“ gezeigt. Dabei hatte der Bischof nur die kirchlich-biblische Lehre ins Gedächtnis gerufen. Dass diese keineswegs unbarmherzig ist, zeigt die Passage zum Fegefeuer:
„Auch das Fegefeuer gehört zu unserem Glauben. Es ist Ausdruck sowohl der Barmherzigkeit als auch der Gerechtigkeit Gottes – gerecht ist Gott, indem er jeden nach seinen Taten beurteilt und barmherzig, indem er die Verstorbenen reinigt, um sie für das Ewige Leben tauglich zu machen. Das Fegefeuer ist Bereitung für den Himmel“.
Der Glaube und ein reines Gewissen schenken Freude, machen unser Leben schön und wertvoll bis hinein in die Ewigkeit. Denken wir mehr an den Himmel, zu dem Gott uns bestimmt hat. Aber denken wir auch an die vielen, die verloren gehen, wenn sie sich nicht hinwenden oder umkehren zu Gott. Gott, der die Liebe ist, aber auch der Gerechte, achtet und respektiert die Entscheidung eines Jeden, für oder gegen ihn! Für den also, der sich bewußt gegen Gott entscheidet oder ihn lästert und verflucht, kann selbst Jesus nichts mehr tun. Deutlich wird dies im Lukas-Evangelium: Jesus hängt am Kreuz und einer der mit ihm Gekreuzigten verhöhnte ihn. Der andere Mitgekreuzigte wies den ersten zurecht und sagte: Nicht einmal du fürchtest Gott? Dich hat doch das gleiche Urteil getroffen. Uns geschieht recht, wir erhalten den Lohn für unsere Taten; dieser aber hat nichts Unrechtes getan. Dann sagte er: Jesus denk an mich, wenn du in dein Reich kommst. Jesus antwortete ihm: Heute noch wirst du mit mir im Paradiese sein! (vgl. Lk 23,40-43) – Eine wahrhaft frohe Botschaft. Der sogenannte Schächer wurde durch den Glauben an den Sohn Gottes gerecht gemacht. Gott verzeiht dem, der umkehrt und glaubt, noch im letzten Augenblick. – Heinz Josef Ernst
Die Predigt von Erzbischof Schick befindet sich auf KATH.NET