Von Joseph Ratzinger. Ein Priester, der einige Zeit in Afrika in einem Gebiet verbringen konnte, das noch kaum vom Christentum und von der europäischen Zivilisation berührt ist, hat mir erzählt, dass das Erschütternde und Bewegende dieser Erfahrung für ihn die lähmende Furcht gewesen ist, die das ganze Leben dieser Menschen beherrscht, die eigentliche Prägemarke des Heidentums, in dem der eine Gott nicht erschienen ist. Sie fürchten sich vor den Geistern der Toten, sie fürchten sich vor unbekannten Geistern, sie fürchten sich vor der Unberechenbarkeit der bekannten Geister. Das ganze Leben ist ein Kalkül der Furcht, des Auskommen-Könnens mit den unheimlichen Mächten, denen der Mensch fast waffenlos gegenübersteht.
Der Heilige Geist überwindet die Furcht. Eine Welt des Heiligen Geistes ist nicht geprägt durch unbekannte Geister und Mächte, sondern durch den Geist, der die Liebe und als Liebe die Allmacht ist. Deswegen ist Furchtlosigkeit das Zeichen für den Heiligen Geist, der uns in die Hände der allmächtigen Liebe gibt. Und deswegen kann auch der Glaube, wo er gesund ist, furchtlos sich den Mächten der Welt entgegensetzen, weil er sich von dem geführt und behütet weiß, der als der Stärkere den Starken gefesselt hat (vgl. Mk 3, 27).
Wo der Glaube schwindet, wächst die Angst. Und es ist nicht so, wie es hingestellt wird, als ob in einer Welt, die den Glauben endgültig beiseite wischt, dann endlich die reine Vernunft und die reine Furchtlosigkeit aufstünden. Wo der Glaube verschwindet, muss der Mensch wieder beginnen, sich vor den unbekannten Mächten des Schicksals, der Zukunft, der Natur zu fürchten, die er nicht bannen kann, sondern nur der, der das All geschaffen hat und es in seinen Händen trägt.
So wollen wir an diesem Pfingsttag bitten, dass der Heilige Geist zu uns komme und das Angesicht der Erde erneuere.
Aus: Joseph Ratzinger, Predigten. Homilien – Ansprachen –Meditationen (= Joseph Ratzinger Gesammelte Schriften 14), Freiburg 2019, 575-580.