„Wenn einer mir nachfolgen will, so verleugne er sich selbst und nehme sein Kreuz auf sich und folge mir nach. Denn wer sein Leben retten will, wird es verlieren. Wer aber sein Leben verliert um meinetwillen und um der Heilsbotschaft willen, der wird es retten…denn wer sich meiner und meiner Worte vor diesem ehebrecherischen und sündigen Geschlecht schämt, dessen wird sich auch der Menschensohn schämen, wenn er mit den heiligen Engeln in der Herrlichkeit seines Vaters kommen wird.“ (vgl. Markus 8,34-38)
Ein Kreuz – gleich welcher Art – ist eine Zumutung. Daher ist es verständlich, dass sich bereits der Apostel Petrus gegen das Kreuz seines Meisters zur Wehr setzte. Jesus hatte angekündigt, dass er nach Jerusalem gehen und von den Ältesten, Hohenpriestern und Schriftgelehrten vieles erleiden müsse, getötet und am dritten Tag auferweckt werde. Das war zuviel für Petrus. Er machte Jesus Vorhaltungen und sagte: „Das verhüte Gott, Herr! Niemals darf dir das widerfahren!“ Jesus wandte sich um und antwortete: „Hinweg von mir Satan! Ein Ärgernis bist du für mich. Denn du denkst nicht die Gedanken Gottes, sondern der Menschen.“ (vgl. Matthäus 16,21-23)
Die Erwartungen und Gedanken der Zeitgenossen Jesu an den Messias waren durchaus menschlich: Sie dachten an einen politischen Messias, der Israel von den Römern befreite und stets souverän seine Macht und Stärke zeigte. Aber, was tat Jesus? Er, dem alle Macht gegeben war, begab sich in die Gewalt eines menschlichen Gerichtes und erfüllte in Gehorsam den Willen des himmlischen Vaters. Er ließ sich durch nichts und niemand davon abbringen, auch nicht durch seine ihn verlassenden Jünger, nicht durch Verhöhnung, grausame Folter und Erniedrigung bis zum Tod am Kreuz. „Es ist vollbracht“ sagte Jesus im Sterben. Vollbracht hatte er das Werk unserer Erlösung, unseres ewigen Heils. Ja, sein Reich ist nicht von dieser Welt; die Inschrift am Kreuz: „König der Juden“ wirkt wie eine Verhöhnung eines nach irdischen Maßstäben Gescheiterten, weist aber bereits auf den (gewaltlosen) Friedensskönig hin.
Uns, die Erlösten, sendet der Herr wie Schafe unter die Wölfe: Haben sie mich verfolgt, so werden sie auch euch verfolgen [Anmerkung: Die Formen der ‚Verfolgung‘ sind bei uns im Westen subtiler als in Ländern, wo der gleiche Begriff ‚Lebensgefahr‘ bedeutet]. Aber, habt keine Angst, denn ich bin bei euch alle Tage. Setzt euer ganzes Vertrauen auf die Gnade, auf die Kraft des heiligen Geistes. Seid mutig im Bekenntnis. Setzt nicht auf die sogenannte abendländische christliche Kultur, nicht auf Tradition und Strukturen. Habt Vertrauen zu mir, dem göttlichen Wort.
Eine im Staat vorgegebene christliche „Leitkultur“ ist eher hinderlich für das Gespräch mit Gläubigen anderer Religionen, wie zum Beispiel den Muslimen. „Das eigene christliche Zeugnis ist nur glaubwürdig, wenn außer der persönlichen Bekehrung eben kein gesellschaftlicher Anspruch auf Einschluss erhoben wird. Insofern sind gerade staatliche Religionsneutralität und Religionsfreiheit Garanten dafür, dass man in der betreffenden Gesellschaft die Christusbotschaft als lebensentscheidend zwanglos ins Spiel bringen kann.“ (Zitat aus „Islamkritik und Christentum – man höre doch mal dem Heiland zu“ von Pfarrer Jochen Teuffel, faz.net vom 19.04.2011.)
Schauen wir, was sich hinter der (teilweise berechtigten) Islamkritik eines Henryk M. Broder verbirgt. Broder kritisiert das allzu selbstbewußte Auftreten des Islam, die kulturelle Rückständigkeit der Muslime, die Herrschaft der Mullahs, die untergeordnete Stellung der Frau, die Steinigung von Ehebrecherinnen, das Aufhängen der Homosexuellen, den blinden Gehorsam, wie er in den Religionsschulen gelehrt wird, die Kinderehen, die Ehrenmorde, die Verachtung der Ungläubigen.
Dahinter steckt die Behauptung, dass Religion Privatsache ist, was offensichtlich dem Artikel 18 der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte widerspricht. Zitat aus: „Schavans törichtes Lob für den selbstbewußten Islam“:
„Und dass Muslime, anders als Christen, ihre Religion nicht meinen verstecken zu müssen, ist nichts, das Lob verdienen würde. Religion ist, wie Sex, Privatsache. Daheim, in den eigenen Wänden, können die Menschen machen, wozu sie Lust haben. Aber sie möchten bitte die Gardinen zuziehen, um die Nachbarn nicht zu belästigen. Denn zur Religionsfreiheit gehört auch das Recht, von religiösen Exerzitien des anderen verschont zu werden“ – Hierzu sollte Herr Broder doch den obengeannten Artikel 18 der Menschenrechtserklärung nachlesen. Denn das von ihm kritisierte Verhalten betrifft ja auch Katholiken (zum Beispiel die Fronleichnamsprozession in der Stadt ist ein öffentliches Glaubensbekenntnis). Er hat nur insoweit recht, dass die öffentliche Glaubensbezeugung nicht aufdringlich sein darf.
Eine Forderung nach Privatisierung des Glaubens widerspricht also zutiefst dem Selbstverständnis der christlichen Sendung und auch den Allgemeinen Menschenrechten. Auch das islamische Selbstverständnis ist ein missionarisches, ohne jetzt auf nicht akzeptable Formen wie massive Angriffe gegen das Christentum im Internet und Zwangsislamisierung einzugehen.
Nach Pfarrer Teuffel (siehe oben) besteht die Provokation des christlichen Glaubens im letzten Wort Jesu am Kreuz: „Es ist vollbracht!“ Der stellvertretenden Lebenshingabe des Gottessohnes ist menschlicherseits nichts hinzuzufügen. Was für Christen zu tun bleibt, ist die gottesdienstliche Feier des Pascha-Mysteriums Christi, das missionarische Namenszeugnis sowie der Dienst am fremden Nächsten. Im Übrigen gilt Toleranz, was nichts anderes heißt, als „Zuwiderliches“ zu ertragen, weil man es weder abwenden noch ignorieren oder gar für sich akzeptieren kann. – HJE